Muskelverspannungen beim Pferd – erkennen, vorbeugen und behandeln
Von Christien Luckwaldt
Muskeln arbeiten über Anspannung. Wenn sie arbeiten, also anspannen, verkürzen sie sich. Durch den entsprechenden Gegenspieler wird ein Muskel dann wieder entspannt bzw. gedehnt. Wird ein Muskel nun überansprucht oder dauerhaft gereizt, bleibt er im angespannten Zustand und wird nicht ausreichend mit Blut, Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Es kommt zu Verspannungen. Verspannte Muskeln sind also verkürzte Muskeln, die nicht mehr optimal entspannen können. Leider treten Muskelverspannungen nicht ortsbegrenzt auf, sondern setzen sich schnell durch den gesamten Pferdekörper fort. Wenn beispielsweise die Schulter verspannt ist überträgt sich diese Spannung schnell auf die Muskulatur des Oberarms was wiederum zu einer Überlastung der Sehnen in der Vorhand führt. Ein optimaler Muskeltonus ist also wichtig für die korrekte Funktion der Sehnen, er schützt aber durch weiche und harmonische Bewegungen als „Stoßdämpfer“ gleichzeitig die Gelenke.
Muskelverspannungen lassen sich am besten in der Bewegung beurteilen, dafür eignet sich die Longe. Steifheit, Taktunreinheiten oder sogar Lahmheiten sind die auffälligsten Symptome von Verspannungen, aber auch Abwehrreaktionen beim Anfassen, putzen oder satteln können ein Indiz sein. Beim Reiten fällt es dem verspannten Pferd oft schwer sich abzustrecken, sich loszulassen und den Rücken aufzuwölben, auch Seitengänge können oft nicht mehr wie gewohnt geritten werden. Werden Muskelverspannungen nicht behandelt, werden die betroffenen Muskeln nicht mehr optimal mit Blut, Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, was zu einem Zellabbau und damit zur Begünstigung degenerativer Erkrankungen wie Kissing spines oder Arthrose führen kann. Und natürlich machen Muskelverspannungen Schmerzen. Dauerhafte Schmerzen schlagen oft sehr schnell auf den Magen und Magengeschwüre können entstehen.
Aber wie entstehen Muskelverspannungen überhaupt? Im Training kann durch einen schiefen Reitersitz im wahrsten Sinne des Wortes viel „schief gehen“. Es ist daher absolut unumgänglich, dass auch wir Reiter uns regelmäßig von einem Osteopathen oder Physiotherapeuten durchchecken lassen. Aber auch eine stark rückwärts wirkende Reiterhand kann Verspannungen im Halsbereich auslösen, genauso können zu lange Belastungsperioden, eine ungenügende Aufwärmphase oder eine nicht korrigierte natürliche Schiefe des Pferdes Verspannungen begünstigen. Beim Thema Equipment drückt oft nicht nur der Sattel, auch Gurtzwang oder andere Ausrüstungsgegenstände wie beispielsweise Ausbinder können ursprünglich für Verspannungen sein. Ebenso können unerkannte schmerzhafte Erkrankungen wie ein Hufrollenbefund oder Zahnschmerzen dazu führen, dass Muskeln nicht mehr optimal arbeiten können. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist außerdem die Psyche. Dabei ist es egal ob das Pferd Angst vor einer Situation hat, der Reiter seine eigene Angst auf das Pferd überträgt oder ob das Schmerzgedächtnis des Pferdes aktiv ist und einen lang vergangenen Schmerz wieder an die Oberfläche des Gedächtnisses befördert. Wie wir Menschen nehmen auch unsere Pferde relativ schnell Schonhaltungen ein. Schmerzt ein Muskel, versucht das Pferd diesen Bereich zu entlasten und begibt sich in eine Schonhaltung, was wiederum zusätzlich zu Schmerzen im betroffenen Bereich und zu neuen Verspannungen in anderen muskulären Bereichen führt. Die ursprüngliche Verspannung weitet sich also auf andere Muskelgruppen aus. Wenn nun nicht zügig gehandelt wird werden Verspannungen und Schmerzen nur allzu schnell chronisch.
Umso wichtiger, Muskelverspannungen so früh wie möglich zu lösen. Neben dem Tierarzt, der mit Schmerzmittel und ggf. Entzündungshemmern helfen kann, ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Physiotherapeuten bzw. Osteopathen wichtig. Sanfte Techniken können die verspannten Muskeln wieder in den richtigen Tonus bringen und so einer Verlagerung der Verspannung in weitere Muskelketten vorbeugen. Mit Magnetfeldtherapie lässt sich ebenfalls eine Menge bewirken, denn hier wird auf Zellebene gearbeitet und die Zellen werden wieder in ihre natürliche Balance gebracht. Auch über die Fütterung kann eine Menge ausgerichtet werden, so sollte darauf geachtet werden, dass keine Übersäuerung entsteht. Entsprechend aufbereitete Zusatzfuttermittel können die Muskelfunktionen unterstützen und auf das Pferd abgestimmte Kräuter verhelfen dem Pferd zu einer gewissen Grundentspannung.
Als Besitzer kann ich meinem Pferd mit warmen Wickeln oder Auflagen helfen, Einmal-Moorpackungen gibt es mittlerweile auch im Internet zu kaufen. Wichtig ist, dass die Wärme immer feucht ist, damit sie tief ins Gewebe eindringen kann.
Im besten Fall kommt es jedoch gar nicht erst zu Muskelverspannungen. Um vorzubeugen ist es von großer Bedeutung, dem Pferd täglich Möglichkeiten zur freien Bewegung zu geben. Ein kontinuierlich aufbauendes und vor allem leistungsbezogenes Training mit nicht allzu hoher Belastung schützt ebenso vor auftretenden Problemen wie eine ausgewogene Fütterung und ein gutes Management im Stall. Vor allem geschorene Pferde sollten nicht nass und kalt werden, immerhin haben wir ihnen die Möglichkeit zur Thermoregulation genommen. Um den muskulären Gesamtzustand des Pferdes zu überprüfen ist es sinnvoll, das Pferd regelmäßig einem Osteopathen oder Physiotherapeuten vorzustellen. Für einen regulären Check-up hat sich hier ein Rhythmus von etwa 6 Monaten bewährt, bei Leistungspferden sollte man die Zeit zwischen den Behandlungen auf zwei bis vier Monate reduzieren. Muskuläre Dysbalancen können so früh erkannt und im Keim erstickt werden, damit das Pferd lange Freude an Bewegung hat!
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen jederzeit gern unter pferdetherapie@luckwaldt.de zur Verfügung.