18. April 2024
Pferderecht

Rechtliches: Mangelhafte Aufklärung bei der tierärztlichen Behandlung

Was muss der Tierarzt vor der Behandlung eines Pferdes dem Besitzer mitteilen?

Von Rechtsanwalt Andreas Ackenheil

Ist ein Pferd krank, oder es soll eine bestimmte Behandlung (z.B. Besamung, Kastration) durchgeführt werden, wird der Tierarzt hierzu gerufen. Lässt man sein Pferd von ihm behandeln, schließt man mit dem Tierarzt einen Behandlungsvertrag ab. Dieser Vertrag muss nicht mit einer Unterschrift oder per Handschlag geschlossen werden, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten, wie „Stillschweigen“ zustande kommen. Schlüssiges Verhalten kann bereits das Betreten des Behandlungszimmers und das Erläutern der Beschwerden des Tieres sein. Das telefonische Bestellen des Tierarztes in den Reitstall, ist ebenso schlüssiges Verhalten und führt zum Abschluss eines Behandlungsvertrages.

Wie bei allen Verträgen, ergeben sich hieraus Pflichten zwischen dem Tierarzt und dem Besitzer des Pferdes. Der Pferdehalter muss dem Tierarzt ein Honorar für die Behandlungsleistung bezahlen. Als sogenannte Nebenpflicht muss der Pferdebesitzer an der Behandlung mitwirken, also etwa den Anordnungen des Tierarztes Folge leisten oder ihn umfassend über auftretende Beschwerden informieren. Die Pflichten des Tierarztes reichen jedoch weiter.

Neben der allgemeinen Sorgfaltspflicht hat der Tierarzt eine Aufklärungspflicht, Dokumentationspflicht, Fortbildungspflicht und Schweigepflicht. Gerade die Aufklärungspflicht führt in der Praxis häufig zu haftungsrechtlichen Streitigkeiten. Zur Aufklärungspflicht gehört zum einen, dem Halter die Diagnose darzulegen, den Verlauf zu erläutern, die Art und die Durchführung, aber auch auf Alternativen und mögliche Risiken hinzuweisen.

Häufig ist die mangelhafte Risikoaufklärung ein Streitpunkt, denn der Tierarzt muss nicht nur auf Komplikationen hinweisen, sondern auch auf mögliche Folgen, die trotz regelgerechter Durchführung nicht ausgeschlossen werden können. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen ebenso eine große Rolle, denn der Tierarzt darf nicht einfach eine sehr kostspielige Behandlung durchführen.

Ohne eine Aufklärung ist die Einwilligung des Pferdebesitzes in die Behandlung rechtlich ohne Wirkung. Obwohl auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen, unterscheidet sich die Aufklärung in der Tiermedizin von der Humanmedizin. Während bei der Humanmedizin die Grundrechte und das Selbstbestimmungsrecht des Menschen bei fehlender Aufklärung verletzt werden, so geht es bei Tieren lediglich um das Interesse des Halters an der Erhaltung des Tieres.

Verletzt der Tierarzt seine Aufklärungspflicht aus dem Behandlungsvertrag, treffen sich die Parteien meist vor Gericht wieder. Die Fälle rund um die Tierarzthaftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung sind vielfältig. In einem Fall, vor dem Oberlandesgericht Hamm, klagten die Eigentümer eines 300.000 Euro wertvollen Dressurpferdes gegen ihren Tierarzt. Ihr Pferd fiel auf dem Turnier wegen Störungen des Bewegungsablaufes auf, weshalb die Halter des Pferdes den Tierarzt hinzuzogen. Der Tierarzt hegte den Verdacht der Ataxie und empfahl chiropraktische Maßnahmen. Das Pferd wurde in Kurznarkose gelegt und behandelt.

Nach der chiropraktischen Behandlung konnte das Pferd jedoch nicht mehr selbstständig aufstehen und verstarb einen Tag später. Das Gericht entschied, dass der Tierarzt aufgrund eines Aufklärungsfehlers haften muss. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Tierarzt unzureichend untersucht und falsch behandelt sowie unzureichend über die Risiken aufgeklärt hatte. Ein Sachverständiger erläuterte, dass die Vollnarkose bei einem ataktischen Pferd mit deutliche mehr Risiken verbunden ist, weil die Tiere ohnehin an Koordinationsschwierigkeiten leiden. Der Tierarzt hätte aus diesem Grund über das erhöhte Risiko aufklären und Behandlungsalternativen vorstellen müssen.

In einem anderen Fall wies das Gericht (OLG Dresden) die Klage eines Pferdehalters ab. Der Pferdehalter brachte seinen Hengst zur Kastration in die Tierklinik. Vor Ort wurde ihm ein Informationsblatt über Narkose- und Operationsrisiken übergeben, wo nur allgemein auf die beim Eingriff bestehenden Risiken hingewiesen wurde. Der Halter unterschrieb das Formular und der Hengst wurde operiert. Nach der Operation wurde der Hengst in eine Aufwachbox gebracht. Bei den Aufstehversuchen verletzte sich das Pferd am Sprunggelenk schwer und verstarb. Der Pferdebesitzer verlangte daraufhin Schadensersatz von den Tierärzten wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten. Das Gericht konnte jedoch keine Haftungsgrundlage feststellen. Zur Begründung führte es aus, dass die Aufwachphase nach der Operation und die damit einhergehenden Risiken bei Aufstehversuchen dem Narkoserisiko zuzurechnen sind. Eine gesonderte Aufklärung über die Risiken des Aufwachens schuldet der Tierarzt demnach nicht, da es sich im konkreten Fall um eine Routine Operation handelte und das Pferd gesund war. Eine gesteigerte Aufklärungspflicht ergab sich deshalb nicht.

Anhand der Beispiele wird deutlich, dass die Haftungsregeln sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles richten und daher nicht immer einfach zu bewerten sind. Sind große Risiken und schwerwiegende Fehler im Spiel, kann sich der Tierarzt meist nur schwer verteidigen. Zudem spielt der Wert des Tieres eine entscheidende Rolle. Gerade bei wertvollen Sportpferden trifft den Tierarzt eine besonders umfassende Aufklärungspflicht.


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