10. Oktober 2024
Pferdetherapie Luckwaldt

Frühlingszeit ist Fohlenzeit: Wie Fohlen gesund aufwachsen

Von Christien Luckwaldt

Langsam aber sicher nähert sich der Frühling und damit auch die Fohlenzeit. Ein guter Zeitpunkt, um sich mit dem Thema „pferdegerechte Aufzucht“ zu beschäftigen.

Die Aufzucht des Jungpferdes ist die wohl wichtigste Phase des Pferdelebens, denn Sie bestimmt über die gesamte weitere Entwicklung. Es entwickelt sich aber nicht nur der Pferdekörper selber, sondern mit ihm auch der Bewegungsapparat, Knochen, Bänder, Sehnen und Gelenke. In jungen Jahren wird die Belastbarkeit für spätere Zeiten festgelegt.

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Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Grundstabilität des Pferdes nur durch Bewegung entsteht. Durch häufige Bewegung auf unterschiedlichen Böden wird die Reaktionsfähigkeit der Muskulatur im Bezug auf die Stabilität der Beinachsen geschult. In deutscher Pferdehaltung ist die regelmäßige Bewegung von Jungpferden allerdings oft nicht einfach. Nicht selten werden die Nachwuchspferde gerade im Winter in Box und Paddock mit relativ wenig Möglichkeit zum toben und spielen gehalten.

Was macht das mit einem Jungpferd?

Um das zu verstehen, schauen wir uns ein Beispiel aus dem Südosten Frankreichs an. Die Sportpferde der Springreiterfamilie Fuchs leben dort auf einem Gebiet von rund 300 Hektar ganzjährig draußen. Sie haben keine Eisen, tragen keine Decken und bekommen außer gutem Heu und Mineralfutter keine „Extras“. Jungpferde, Stuten, Sportpferde, Rentner und Hengste leben dort zusammen und es lassen sich prima die Aufzuchtjahre beobachten. Die Fohlen bleiben so lange bei der Mutter, bis sie sich von selber abnabeln. „Tanten und Onkel“ übernehmen dann die Beaufsichtigung und Erziehung der Jungspunte. Wichtig bei diesem Konzept ist aber vor allem die ständige Möglichkeit zur Bewegung und die Bewegungsanreize. Vom spielerischen toben bis hin zum wandern von einem zum anderen Futterplatz – die Pferde sind ständig unterschiedlichen Untergründen ausgesetzt, die Motorik wird ständig geschult.

Die Sportpferde der französischen Herde werden nur einmal pro Woche im Training gesprungen, am Wochenende wird aufs Turnier gefahren. Und das nicht ohne Erfolg. Auch wenn sie am Anfang oft für ihr Konzept belächelt wurden sind mehrere Mitglieder der Familie Fuchs im französischen Top-Springsport zu finden. Bemerkenswert ist außerdem, dass diese französischen Springpferde zwar in den ersten Lebensjahren kleiner sind, dafür aber in Bezug auf Knochen und Muskulatur stabiler gebaut sind. Das Längenwachstum holen diese Pferde 6-7-jährig auf.

Der Bewegungsapparat braucht also regelmäßige und intensive Belastungsreize, um stark zu werden. Bei Bewegungsmangel kann sogar eine Osteoporose entstehen. Auch Frakturen, Fissuren oder OCD, umgangssprachlich „Chips“ genannt, entstehen vermehrt bei Pferden, die im Jungpferdealter keine ausreichende Bewegung hatten. Es geht jedoch nicht darum, das Jungpferd täglich 3 Stunden zu longieren und es sonst in der dick eingestreuten Strohbox zu halten. Kurze Belastungsphasen auf unterschiedlichen Böden sind hier die Zauberformel. Also genau das, was in „freier Natur“ ganz von allein entsteht. Der Pferdekörper braucht eine regelmäßige Belastung dringend, durch dauerhafte Schonung von Muskulatur und Knochen kann es zu schweren Folgeschäden kommen.

Das größte Problem der heutigen Zeit entsteht schon hier. Denn die Zucht will immer frühreifere Pferde, die schon in jungen Jahren „erwachsen“ aussehen und dementsprechende Leistungen zeigen. Da sind degenerative Erkrankungen vorprogrammiert.

Auch die Psyche spielt in der Jungpferdeaufzucht eine große Rolle. Das Fohlen mit 8 Monaten zu entwöhnen, es in eine Gruppenhaltung mit gleichaltrigen Pferden ohne ältere Pferde zu geben, ist zwar gängige Praxis, aufgrund der entstehenden Konkurrenzorientierung aber nicht sinnvoll. Eine feste Rangordnung dient dem Jungpferd als Basis für psychische Stabilität. Besser sind auch hier gemischtaltrige Herden mit einer guten Sozialstruktur. So stehen alle zusammen und jedes Pferd hat eine Aufgabe.

Doch wie lässt sich das auf die konventionelle Pferdehaltung übertragen?

Junge Pferde brauchen viel Platz und eine funktionierende Herdenstruktur. Um für ausreichend Licht, Luft und Bewegung zu sorgen bieten sich Gruppenhaltungen an, auch für Pferde, die später sportlich genutzt werden sollen. Durch die räumliche Trennung von Futter-, Wasser- und Schlafplätzen lassen sich Bewegungsanreize schaffen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn nicht jedes Pferd ist für jede Haltungsform geeignet. Hier muss von Fall zu Fall ganz individuell entschieden werden. Trotzdem lassen sich durch größere Boxen, vermehrte Sozialkontakte oder Möglichkeiten wie die Führanlage oder das Laufband Verbesserungen schaffen. Vor allem bei Führanlage und Laufband ist es jedoch besonders wichtig, diese nicht als „Hamsterrad“ zu missbrauchen, da hierdurch ebenfalls Schädigungen des Bewegungsapparates auftreten können.

Grundsätzlich brauchen Jungpferde also vor allem Platz für viel Bewegung, Licht, Luft und Sozialkontakte. Versäumnisse in der Aufzucht sind im Nachhinein kaum zu korrigieren. Beim Pferdekauf sollte daher auch gezielt nach den Aufzuchtbedingungen gefragt werden, um in der heutigen Pferde-Gesellschaft deutlich zu machen, wie viel Wert wir Pferdemenschen auf eine gute Jungpferdeaufzucht legen und dass die Zeiten mit dunklen hochvergitterten Fohlenboxen ohne Sozialkontakte, Licht, Luft und Bewegung schon längst überholt sind.


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